Bericht zur Sektionssitzung 3

Aktuelles, Allgemein, Erschließung

Ein Gastbeitrag von Dr. Antje Diener-Staeckling

„Automatisierung, wohin man blickt, aber in den Archiven und auch Bibliotheken wird noch viel im direkten Kundenkontakt erledigt.“ So führte Torsten Musial in die Sektion 3 ein. Welche Möglichkeiten die schöne neue Medienwelt liefern könnte, diesen Zustand zu ändern habe nicht zuletzt der Abendvortrag am ersten Veranstaltungstag gezeigt.

Es ist der heimliche Traum eines jeden Archivars, einer jeden Archivarin: Bei Massenakten muss nicht mehr jede Verzeichnungseinheit einzeln bearbeitet werden, sondern eine Software nimmt gleich ganze Akten-Gruppen auf. Genauso wird schon seit Jahren auf eine Software gehofft, die Handschriften entziffern kann. Die Entwicklungen der modernen Technik bieten nicht nur Möglichkeiten, sondern zeigen auch immer wieder neue Grenzen der Technik nicht nur im Archivbereich auf. Damit sei das Thema der 3. Sektion beim Deutschen Archivtag in Wolfsburg kurz umrissen.

Michael Aumüller vom Grundbuchzentralarchiv Kornwestheim. Foto: VdA

Zu Beginn stellten Michael Aumüller und Ulrike Kühnle vom Grundbuchzentralarchiv Kornwestheim das Projekt „Rationelle Erfassung und Verwaltung massenförmiger Unterlagen“ im Grundbucharchiv vor. Ausgang war zunächst eine Anfrage bei den Justizbehörden des Landes Baden-Württemberg, den Hauptnutzern des Archivs. Daran orientiert wurden seit Mitte 2012 bis 2017 die Aufgaben von 663 Grundbuchämtern in 13 Amtsgerichte überführt und auf elektronische Bearbeitung umgestellt. Als Folge werden alle Papierunterlagen im Zentralgrundbucharchiv zusammengeführt.Durch ein spezielles Verfahren werden die gleichförmigen Unterlagen elektronisch registriert, also erfasst und in einem sehr fast industriell strukturierten Arbeitsablauf als analoge Akte magazinfertig gemacht. Einmal im System „G-OLF“ aufgenommen stehen die Unterlagen quasi direkt zur Nutzung bereit. Ungefähr 1000 Unterlagen pro Tag wurden so erfasst. Aumüller betonte, dass es sich um eine „Erfassung“, nicht um eine „Erschließung“ handele. Die Hauptnutzer, d.h. die Mitarbeiter der Justizbehörden, würden auch nicht mehr erwarten.

Mit diesem neu entwickelten Verfahren sind inzwischen Unterlagen im Umfang von über 100.000 lfd Meter bearbeitet worden. Die tägliche Ausleihrate erfasster Unterlagen liege derzeit bei rund 1.000 Einheiten pro Tag. Durch Barcodes an den Archivalien und Regalen kann sehr genau nachverfolgt werden, wo sich die einzelne Archivalie befindet. Die Magaziner erhalten die Bestellung von der Seite der Justiz durch die Software und heben dann mit ausgedrucktem Leihzettel die Archivalie direkt aus. Auch die Versendung(bzw. der Rückversand) läuft über „Paketmarken“ aus dem System. Rund 1000 Akten pro Tag werden ausgeliehen.

Die Sektionssitzung 3 fand im Großen Saal statt. Foto: VdA

Anschließend präsentierte Günter Mühlberger von der Universität Insbruck das Tool Transkribus. Mühlberger, bekannt von der europäischen Initiativen „READ“ und „Coop“ weckte mit dem Thema seines Vortrags: „Archiv 4.0, oder warum die automatisierte Texterkennung alles verändern wird“ große Erwartungen. Er ging von der Entwicklung aus, dass neuronale Netze in der Lage sind, historische Handschriften zu erkennen. Dies bedeute die Möglichkeit einer vereinfachten Transkription verschiedener Bestände, aber auch eine gesteigerte Treffsicherheit bei der Suche. Die Frage nach der Eignung, bzw. der Kontrollnotwendigkeit solcher Bestände im Archiv, stellte sich direkt. „Transkribus“ hat eine bestimmte Fehleranfälligkeit bei der Übertragung, bietet aber bei der allgemeinen Recherche zumindest einen Eindruck vom eigentlichen Quellentext. Die Arbeit von „Freiwilligen“ zur genauen Fehlerkontrolle wäre auf der „Transkribus“ angeschlossenen Plattform möglich. Ein Ergebnis sind genauere Quellenrecherchen in den dann digital verfügbaren Quellen.

Mühlberger vertrat die These, dass Technologien wie „Transkribus“, die Arbeit des Archivars in Zukunft verändern, bzw. ersetzen werden. Dafür müssten alle Daten elektronisch vorliegen, was in der Realität der Archive jedoch sehr selten der Fall sei. Allerdings bietet „Transkribus“ als eine gleichzeitige Plattform auch die Möglichkeit, Nutzer zu vernetzen und die „Crowd“ als Quelle auch für das Archiv zu nutzen, um Erschließungen genauer zu machen.

Die Mitwirkenden der Veranstaltung. Foto: VdA

Thomas Beckers vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) stellte Audiomining-Systeme vor, die eine wortbasierte Recherche in unerschlossenem Audiomaterial ermöglichen sollen. Das WDR Archiv ist ein Spezialarchiv mit tausenden von Audio-Rundfunkbeiträgen. Es findet eine Auswahl und Bewertung statt, im Schnitt werden 12 % der Rundfunkbeiträge übernommen. Beckers zeigte auf, dass es für Rundfunkarchive Sinn machen kann, solche Systeme einzusetzen. Benötigt würde eine „Sprecher-unabhängige“ Software, die ggf. Hintergrundgeräusche herausfiltern kann. Dies ist durch einen Technologiesprung seit 2013 möglich. Die durch das Audiomining-System entstandene Archivdatenbank erleichtert die spätere Recherche für weitere Produktionen des Senders.

Schwächen seien zurzeit noch die bisher wenig eingrenzbare Datenmenge und die flache Erschließung. Dies soll verbessert werden, auch an einem selbst lernenden System wird gearbeitet. Metadaten müssen in das System manuell eingefügt werden. Beckers sieht sein Berufsbild im Wandel: Vom Medienarchivar zum Content-Manager.

Abschließend erfolgte eine Abschluss-Podiumsdiskussion aller Teilnehmer, ergänzt durch Dr. Francesco Rohberg vom Staatsarchiv Marburg, der- am COOP-Projekt beteiligt- sich auch mit der automatischen Erkennung von Handschriften beschäftigt. Es wurde in der Runde betont, dass solche Automatisierungs-Technologien in der Zukunft günstiger werden. Wird es in Zukunft aber auch wirklich zu einer Personalreduktion in den Archiven kommen? Rohberg schätzt, dass sich manche Arbeite im Archiv eher verlagern wird, insgesamt sei es aber zu früh, darauf eine Antwort zu geben. Für Kontrollarbeiten würden beispielsweise immer noch intellektuelle Fähigkeiten benötigt.
Rohberg wies auf die positiven Folgen von Tools wie „Transkribus“ für die Nutzung hin. Immer weniger Nutzer könnten alte Handschriften lesen; online gestellte Quellen würden auf einfache Arte und Weise zu Forschungsdaten und besser zugänglich. Die bereits vorhandenen Digitalisate in den Archiven würden so für die Forschung insgesamt bedeutsamer.

Die Frage der Zukunft der Archive in zehn Jahren wurde abschließend grundsätzlich gestellt, aber nicht wirklich beantwortet. Werden Archivare noch gebraucht? Wird es noch Papier in einem Archiv geben? Angesichts der deutschlandweit sehr unterschiedlich entwickelten Archivspaten ergibt sich auch für das VdA-Blog besonders in diesen Punkten weiterer Diskussionsbedarf.

Sektionssitzung 3
Mining statt Tippen? Neue Methoden der Erschließung
Moderation: Dr. Torsten Musial

Donnerstag, 28. September 17:00 bis 18:30 Uhr
CongressPark Wolfsburg / Großer Saal

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