Bericht zur Sektionssitzung 4

Aktuelles, Allgemein, Bestandserhaltung

Ein Gastbeitrag von Dr. Tobias Herrmann

Am zweiten Kongresstag beschäftigte sich die Sektionssitzung 4 mit dem Bereich Bestanderhaltungsmanagement. Zum Rahmenthema „Heute schon an Morgen gedacht“ wurden drei Vorträge mit unterschiedlicher inhaltlicher Ausrichtung gehalten.

Johannes Kistenich-Zerfaß vom Hessischen Landesarchiv Darmstadt stellte unter dem Titel „Den Zerfall nicht dem Zufall überlassen“ die Entwicklung eines Arbeitsprogramms zum Originalerhalt in Hessen vor. Im Mittelpunkt dessen steht die „mathematische“ Ermittlung von Beständen, die mit besonders hoher Priorität bestandserhalterischen Maßnahmen unterzogen werden sollen.

Dr. Kistenich-Zerfaß sprach zum Originalerhalt in der Sektion 4. Foto: VdA

Auf der einen Seite wird durch Einteilung in Schadensklassen und Betrachtung von Schadensbildern das Schadensausmaß erfasst. Auf der anderen Seite werden die Bestände in bestimmten Kategorien gewichtet auf ihren „Wert“ hin geprüft: Handelt es sich um einen Rückgratbestand? Ist der Bestand für die Rechtssicherung von Bedeutung? Wie ist der Überlieferungskontext? Ist der Bestand zur Gewinnung von Drittmitteln geeignet? Durch die Multiplikation der Ergebnisse ergibt sich eine klare Abfolge der einbezogenen Bestände. Im letzten Schritt kann noch die „Ressourceneffizienz“ berücksichtigt werden, d.h. die Überlegung, wo die eingesetzten Haushaltsmittel zu einem besonders großen Umfang an restaurierten Unterlagen führen.

Ragna Boden und Hermann Kinne (BStU, Berlin) sprachen anschließend über das Bestandserhaltungsmanagement für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Nach der Vorstellung der Besonderheiten des BStU-Archivs und den Grundlagen der dortigen Bestandserhaltung ging es um das in Entwicklung befindliche Modell zur Auswahl von exemplarischen Unterlagen für die Sicherungsverfilmung des Bundes. Diese Unterlagen sollen im Idealfall Struktur, Methoden und Wirkungsweisen der Stasi abbilden.

In der Umsetzung werden verschiedene bekannte Lösungsansätze kombiniert, darunter die horizontal-vertikale Bewertung und das Federführungsprinzip. Weil die Struktur der Stasi aus dem Archivgut allein kaum verständlich ist, wird in diesem Fall auch gedruckte Literatur in die Digitalisierung und Sicherungsverfilmung einbezogen. Eine abschließende Auswahl wird vor allem aus den Unterlagentypen Befehle und Dienstanweisungen, Rapporte und Lageberichte sowie Unterlagen der geheimpolizeilichen Überwachung zu treffen sein.

Die Sektion wurde geleitet von Christina Wolf. Foto: VdA

Detlef Busse vom Niedersächsischen Landesarchiv Hannover beschloss die Sektion mit dem Vortrag „Rationelle Methoden zur Behandlung von geschädigtem Hadernpapier im Niedersächsischen Landesarchiv“. Dabei ging es um die Restaurierung einer in besonders unglücklicher Weise durch Bomben, Lösch- und Hochwasser geschädigten Überlieferung von 190 laufenden Metern aus der Zeit der napoleonischen Herrschaft, die seit mehr als 70 Jahren überfällig ist.
Seit dem Jahr 2015 wird der Bestand in archiveigenen Werkstatt restauriert. Durch engen Austausch zwischen Archivaren und Restauratoren, kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Arbeitsprozesse und das Lernen aus Tests konnte die veranschlagte Arbeitszeit bis zur Nutzbarkeit erheblich reduziert werden. Ein wichtiger Faktor ist dabei der intensive Einsatz von Nass- statt Trockenreinigung. Zum Erfolg trägt außerdem eine regelmäßige Rotation zwischen den Positionen im Restaurierungsprozess bei.

Sektionssitzung 4
Heute schon an Morgen gedacht – Bestanderhaltungsmanagement
Leitung: Christina Wolf

Donnerstag, 28. September 17:00 bis 18:30 Uhr
CongressPark Wolfsburg / Kleiner Saal

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