Sektionssitzung 4

Aktuelles, Allgemein

Ein Gastbeitrag von Peter Fauck

Freier Zugang zu Archivgut ist ein Anspruch, der von außen an Archive gerichtet, aber auch von Archiven an sich selbst gestellt wird. Die Möglichkeiten der digitalen Welt eröffnen neue Perspektiven für die Verbreitung von Informationen, zugleich aber auch spezifische Einschränkungen hinsichtlich des Daten- und Persönlichkeitsschutzes und des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen. Im Spannungsfeld von Zugangsöffnung und -beschränkung bewegten sich die Beiträge dieser Sektionssitzung.

Pierre Maurice Augel referierte über das Rechtesystem in invenio. Foto: VdA

Das Bundesarchiv verfügt mit invenio über ein Werkzeug zur feingranularen Steuerung von Zugriffsrechten für die Recherche und Benutzung von mehreren Millionen Erschließungsdatensätzen und Digitalisaten. Pierre Maurice Augel erläuterte in seinem Vortrag die Funktionsweise des Systems und hinterfragte die Komplexität des Rechtemanagements aus der Perspektive der Archivmitarbeiter und aus Nutzersicht. Alle Zugriffsrechte werden in Form von Gruppenprofilen grundsätzlich restriktiv nach dem Motto „was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten“ vergeben. Zusätzlich können individuelle Zugriffsrechte auf Bestände oder Einzelobjekten erteilt werden. Damit können die Archivmitarbeiter – unter Berücksichtigung rechtlicher Einschränkungen wie dem Geheimnisschutz – weite Teile des Datenbestandes uneingeschränkt nutzen, während Lesesaalnutzer ein begrenztes Angebot erhalten und bei Abrufen aus dem Internet nur frei zugängliche Informationen dargestellt werden. Es ist geplant, mit Hilfe eines elektronischen Identifikationsverfahrens künftig auch Internetnutzern den selben Zugang zu ermöglichen, den Lesesaalnutzer haben.

Die aus den vielfältigen Optionen zur Rechtesteuerung auf Nutzer- und Objektebene erwachsende Komplexität des Systems ist unabdingbar, um eine effiziente netzbasierte Nutzung der Archivinformationen und Digitalisate überhaupt zu ermöglichen.

Open Access/Open Data als Handlungsfeld von Archiven beleuchtete Prof. Dr. Ellen Euler in ihrem Vortrag. Es handelt sich dabei um eine archivische Kernaufgabe zur Unterstützung der freien Forschung und generell um einen zeitgemäßen Weg, die in Archiven und anderen Kultureinrichtungen vorhandenen Daten zur Nachnutzung verfügbar zu machen. Aus der Gegenüberstellung der derzeitigen archivischen Veröffentlichungspraxis mit dem aus rechtlicher Sicht Möglichen wird ersichtlich, dass Archive das Potential von Open Access/Open Data noch nicht ausschöpfen. Teilweise werden Nutzungseinschränkungen konstruiert, die rechtlich nicht haltbar sind, um zum Beispiel bei der Veröffentlichung von Archivgutdigitalisaten Urheberrechte zu schützen, die gar nicht existieren.

Den Gedanken der Digitalen Allmende stützend sollten Archive darum bemüht sein, möglichst viele Archivalien frei und ohne Beschränkungen zugänglich zu machen und einschränkende Lizenzmodelle nur dort zu wählen, wo tatsächlich Urheber-, Datenschutz- und andere Schutzrechte berührt sind. Durch eine stärker forcierte Öffnung ihrer Datenbestände können Archive viel dazu beitragen, die Public Domain zu stärken und die Etablierung von Standards und Normen zu fördern.

Referentin Maria von Loewenich M.A. und das Podium der Sektion 4. Foto: VdA

Wie schwierig sich die rechtssichere öffentliche Verbreitung von Archivgut im Einzelfall gestalten kann, beschrieb Maria von Loewenich am Beispiel von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Ausgehend von den Erfahrungen aus der Aufarbeitung der Unterlagen der Treuhandanstalt im Bundesarchiv wurde dort eine Handreichung zum Umgang mit Wirtschaftsunterlagen erstellt, die auf wichtige rechtliche und praktische Aspekte eingeht. Wirtschaftsgeheimnisse stellen Archive vor die Herausforderung, sich mit dem Einzelfall auseinandersetzen zu müssen, anstatt sich wie in anderen Rechtsgebieten auf klare und pauschal anwendbare Regeln und Fristen verlassen zu können. Bei jeder Freigabeprüfung entsprechender Unterlagen ist das Vorhandensein mehrer Geheimhaltungskriterien zu berücksichtigen. Wenn alle Kriterien vorliegen, handelt es sich um gvertrauliches Unternehmenswissen, das vom Archiv nicht offengelegt werden darf.

Verstöße sind strafbewehrt und/oder zivilrechtlich sanktioniert, und die Verantwortung für rechtssicherndes Handeln liegt sowohl bei den archivtragenden Behörden, als auch bei den einzelnen Archivaren. Dennoch sind derartige Unterlagen nicht grundsätzlich von der Benutzung auszuschließen, denn der Geheimnischarakter kann wieder verloren gehen. In der Praxis allerdings dürfte der Aufwand für die permanente  Überwachung der vielfältigen Beurteilungskriterien in kaum einem Archiv geleistet werden. Im Einzelfall allerdings können Instrumente wie die Handreichung des Bundesarchivs dabei behilflich sein zu klären, ob ein Wirtschaftsgeheimnis vorliegt oder nicht.

Sektionssitzung 4
Freier Zugang zu Archivgut – Möglichkeiten und Grenzen
Leitung: Christina Wolf

Mittwoch, 26. September 16:30 bis 18:00 Uhr
Stadthalle Rostock/ Saal 2

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