Sektionssitzung 1: Archive und ihre abgebenden Stellen

Aktuelles, Allgemein

Ein Gastbeitrag von Dr. Tobias Herrmann

Am Mittwochvormittag eröffnete im Großen Saal des Congress Centrum Suhl die Sektionssitzung 1 unter Leitung von Prof. Dr. Michael Scholz (Potsdam). Aus drei unterschiedlichen Perspektiven nahmen die Beiträge rechtliche Fragen im Verhältnis zwischen Archiven und abgebenden Stellen in den Blick.

Sektionssitzung 1, in der über Archive und ihre abgebenden Stellen diskutiert wurde.

Zunächst schilderte Susanne Fröhlich (Wien) Tätigkeitsschwerpunkte und Ergebnisse der im Jahr 2013 eingerichteten österreichischen „Arbeitsgruppe Justiz“. Ausgangsbasis war der dringende Bedarf an einer Abstimmung über die jeweiligen Kompetenzen von abgebenden Behörden, Staatsarchiv (auf Bundesebene) und Landesarchiven (auf Ebene der Bundesländer) gerade im Bereich der Übernahme und Bewertung von Justizunterlagen, die gesetzlich nicht hinreichend geregelt waren.

Durch die zunehmende, aber nicht einheitliche Digitalisierung der behördlichen Arbeiten mit Schaffung zentraler Datenbanken war die Herausforderung noch gewachsen. Viele ihrer Ziele konnte die Arbeitsgruppe mit Vertretern aus Staatsarchiv und allen Landesarchiven und externen Experten bis 2017 bereits erreichen. Ein landesweit einheitlicher Workflow der Übernahmen konnte etabliert werden. Die für geregelte Aussonderungen notwendigen Metadaten wurden definiert, und die in den EXCEL-Dateien der Behörden hinterlegten Metadaten können automatisiert als Basis für eine zeitnahe Erschließung verwendet werden. Gleichwohl bleibt eine Reihe offener Punkte. Es werde eine Änderung des Bundesarchivgesetzes angestrebt, um bisherige Ausnahmeregelungen für den Justizbereich zu beseitigen.

Undine Beier bei ihrem Vortrag „Archivgut Film“

Undine Beier (Berlin) gab zunächst einen Überblick über die aktuellen Dimensionen der Überlieferung von Filmen beim Bundesarchiv und die Personalausstattung der Abteilung Filmarchiv. Sie unterschied drei Typen von abgebenden Stellen, die jeweils einer eigenen Herangehensweise bedürfen. Zum einen sind die öffentlichen Stellen des Bundes durch das Bundesarchivgesetz dazu verpflichtet, Aufzeichnungen aller Art und damit auch Filme dem Bundesarchiv anzubieten. Dabei ist der Bund nicht immer alleiniger Rechteinhaber; wenn ein externes Unternehmen mit der Produktion eines Films beauftragt wurde, ergeben sich rechtliche Einschränkungen für die Benutzung.

Eine zweite Kategorie bilden Abgaben im Kontext der Filmförderung durch den Bund. Zwischen einer Förderungszusage und der Einreichung eines Belegexemplars liegt oft viel Zeit. Aus der Übergabe digitaler Filme ergibt sich nicht wie bei analogen Filmen das Materialeigentum des Bundes am Archivgut; Urheber- und Nutzungsrechte der Filmproduzenten bleiben unberührt. Die dritte Gruppe sind freiwillige Hinterlegungen. Mit dem Einsatz eines 2016 ausgearbeiteten Überlassungsvertrags macht das Bundesarchiv deutlich, dass es nicht bloß als kostengünstiges Magazin dienen kann, sondern die übernommenen Filme auch der nicht gewerblichen Nutzung zuführen möchte.

Die Vortragenden der Sektionssitzung1 auf dem Podium im Großen Saal

Im dritten Vortrag widmete sich Thomas Henne (Marburg) dem „magischen Moment“, in dem Verwaltungsunterlagen zu Archivgut umgewidmet werden. Für Henne ist die Widmung durch den Archivar nicht identisch mit der Übernahme und auch nicht mit der Bewertung, sondern ein eigenständiger Verwaltungsakt in Form einer „adressatenlosen Allgemeinverfügung“ im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes, der „konkludent“ erfolgen kann. Das Archiv muss aber dem Willen zur Widmung Ausdruck verleihen, was zum Beispiel durch die Vergabe einer Zugangsnummer, also durch Inventarisierung, erfolgen kann. Für seine Argumentation griff Henne auf die Theorie des modifizierten Privateigentums zurück.

Alle drei Vorträge wurden durch Nachfragen, Anregungen und Erfahrungen aus dem Plenum ergänzt.

Sektionssitzung 1: 
Archive und ihre abgebenden Stellen
Leitung: Prof. Dr. Michael Scholz

Mittwoch, 18. September 11:30 bis 13:00 Uhr
Congress Centrum Suhl/ Großer Saal

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